Rezension: Carnival Row (Staffel 2)

Die rassismusgeplagten Feen und Faune gehen in die zweite und vorerst letzte Runde. Die zweite Staffel von „Carnival Row“, erschienen im Februar und März 2023, bedeutet das Ende der Fantasy-Serie. Aber liefert sie wirklich das bombastische Finale, dessen Endgültigkeit Hauptdarsteller Orlando Bloom laut einem Interview mit ScreenRant so begeistert?

Nach den Ereignissen der ersten Staffel ist die Lage der unterdrückten Feenwesen schlechter denn je. Eingepfercht in das titelgebende Ghetto fallen zahlreiche Feen einer Seuche zum Opfer, der Widerstand der Schwarzen Raben scheint die Situation nur zu verschärfen. Im Parlament wird weiter fleißig intrigiert. Auch Imogen und Agreus können nicht die romantischen Kreuzfahrtwochen verbringen, die sie sich erhofft haben.

Durch diese Ausgangslage zersplittert die Serie zu Anfang in mehrere Handlungsstränge, die parallel und ohne große Überschneidungen verlaufen. Ein klares Ziel fehlt. Der Eindruck entsteht, die Autor*innen müssten zunächst mit einigen Altlasten aufräumen, um ihre eigentliche Geschichte erzählen zu können. Sobald diese aber – mit erstaunlich mutiger Konsequenz – beiseitegeräumt sind, nimmt die Serie an Fahrt auf. Eine Haupthandlung kristallisiert sich heraus, die einen guten Kompromiss zwischen Detektivgeschichte, Übernatürlichem und politischen Verstrickungen findet.

Dazu tragen auch die dynamischen Charakterbeziehungen bei. Im Dreieck Philo-Vignette-Tourmaline kommt es zu spannenden Verwicklungen, Philos Werwolf-Kumpel Darius rückt mehr ins Zentrum, und auch bei Imogen und Agreus gibt es nicht nur Friede, Freude, Flitterwochen. Zu meinem Lieblingscharakter ist derweil der ehemalige Koboldtheater-Regisseur Milworthy aufgestiegen, der subtil, aber beharrlich, mit guter Intention, doch pragmatisch auf dem politischen Intrigenparkett für die Rechte der Feenwesen kämpft. Sogar ein verhasster Antagonist aus der ersten Staffel entwickelt sich nachvollziehbar zum zögerlichen Verbündeten unserer Helden – zwar, um gleich darauf durch einen anderen Ober-Mistkerl ersetzt zu werden, trotzdem eine schöne Aufweichung des Gut-Böse-Schemas.

Auch der Weltenbau wird erweitert. Neben einer neuen Kreatur, die zunächst mysteriös aufgebaut und dann sehr unelegant über ein Flashback erklärt wird, ist die größte Neuerung eine revolutionäre Bewegung. Diese ist mit ihren pseudo-russischen Begriffen und der ständigen Anrede als „Kameraden“ unverkennbar an die Oktoberrevolution angelehnt. Eigentlich eine interessante Idee, doch der Pseudo-Kommunismus der Bewegung wird fast schon karikaturhaft wiedergegeben. Gelungener positioniert sich die Serie bezüglich der Frage, ob man auf gewaltsamen Umsturz oder langsame, aber friedliche Veränderungen setzen soll.

Das Serien-Budget merkt man der zweiten Staffel insgesamt stärker an als der ersten. Unschönes Beispiel ist der große Höhepunkt des Aufstandes, der letztlich nicht über ein kleines Straßengeplänkel hinausgeht. Auf visueller Ebene überhebt sich die Serie mit zahlreichen neuen Schauplätzen. Die Computereffekte wirken stellenweise unfertig – was in der diesigen Burgue weniger auffällt, dafür umso mehr im sonnigen Ragusa. Demgegenüber steht ein äußerst gelungenes Kreaturendesign, und auch der Soundtrack hat einen Qualitätsschub erhalten, mit markanteren Leitmotiven sowie irischen Einflüssen.

Alles in allem schließt die zweite Staffel von „Carnival Row“ die Serie ordentlich ab. Im Vergleich zum Vorgänger steckt sie in gewissen Aspekten zurück, überflügelt ihn in anderen. Das Finale bietet runde Abschlüsse der meisten Charakterentwicklungen, eine brauchbare Aussage und einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Nur das Schicksal Philos wird arg vage gehalten, ein kleiner Ausblick zum Selbstweiterspinnen hätte nicht geschadet. Den Status eines Serien-Meisterwerks erreicht „Carnival Row“ nach wie vor nicht – trotz aller Begeisterung Orlando Blooms.

Bewertung:
3/5

Neueste Beiträge

Rezension: Das Bildnis des Dorian Gray (Film von 2009)

Filmadaptionen sind eine Herausforderung. Soll man der Vorlage sklavisch folgen? Oder Anpassungen vornehmen? Die Verfilmung von „Das Bildnis des Dorian Gray“ tut beides – und erweist sich weder als werksgetreue Umsetzung von Oscar Wildes Klassiker noch als spannende Neuinterpretation.

Weiterlesen »

Rezension: Heldenpicknick – Oder: Warum funktionieren Actual-Play-Podcasts?

Interaktivität, Auswürfeln, soziales Zusammenkommen – all diese Aspekte fallen weg, wenn man Pen & Paper ins Podcast-Format überträgt. Die Rezipierenden werden in eine passive Rolle zurückgedrängt. Warum solche Actual Plays trotzdem funktionieren, zeige ich am Beispiel des „Heldenpicknicks“, einem P&P-Podcast in der Fantasy-Welt des „Schwarzen Auges“.

Weiterlesen »

Rezension: Tomb Raider Underworld

„Underworld“ kündigte sich in seinem Teaser-Trailer mit einem Knall an: Untermalt von Mozarts „Lacrimosa“ zerfetzt eine Explosion die Croft-Villa, Heimstatt und Missionsbasis unserer Heldin Lara. Doch aufgrund enttäuschender Verkaufszahlen sollte die Hauptreihe im Anschluss fünf Jahre ruhen. Versteckt sich hinter „Underworld“ ein verschmähtes Meisterwerk?

Weiterlesen »

Schreibe einen Kommentar