Rezension: Burke & Hare

Was tat Gollum-Darsteller Andy Serkis eigentlich, nachdem seine Paraderolle in den Schicksalsberg gestürzt war, und bevor er sich in „Planet der Affen“ wortwörtlich zum namensgebenden Primaten machte? Die Antwort: Er klaute Leichen. Und zwar in John Landis‘ bislang letztem Film „Burke & Hare“ aus dem Jahr 2010.

Anno 1828 ist die schottische Hauptstadt für ihre anatomischen Forschungseinrichtungen bekannt. Leider fehlt es an Untersuchungsmaterial, denn offiziell dürfen nur Leichen von Hingerichteten und Selbstmördern seziert werden. Für Materialnachschub zahlen die medizinischen Größen gut. Davon wollen die Tagelöhner William Burke und William Hare profitieren. Zunächst buddeln sie des Nachts frisch beerdigte Tote aus, bald schon sorgen sie aktiv für frische Ware …

Soweit die historische Realität, die sich der Film zur Prämisse nimmt. Dieser macht aus seinem Ausgangsstoff jedoch kein bedrückendes Sozialdrama, das vom Abwärtstaumel in die Kriminalität kündet, sondern eine leichtfüßige Komödie. Burke und Hare, gespielt von Simon Pegg und Andy Serkis, stolpern regelrecht in ihr schmutziges Geschäft, ihre Karriere als Leichenräuber und Serienmörder wird mit viel Humor erzählt. Die Dialoge bringen oft zum Schmunzeln, der Slapstick zündet, abgerundet von einem Haufen Morbidität. Auch die Amoralität der – im Selbstverständnis wahnsinnig fortschrittlichen – Mediziner wird vorgeführt. So ist der Film ein kurzweiliges Erlebnis, wohl auch dank seiner überschaubaren Länge.

Ob man einen solchen Umgang mit nachweislich überführten Mördern, unter deren Opfern sich auch ein Kind befand, als geschmacklos empfindet, ist eine andere Frage. Besonders Burke porträtiert der Film als liebenswerten Protagonisten, der Skrupel ob seines Tuns zeigt. Sind die Täter hier eher Opfer einer ungerechten Gesellschaft, die Moral vorheuchelt und sich in Wahrheit am Grauen ergötzt?

Nichtsdestotrotz bleibt „Burke & Hare“ eine nette Historienkomödie, die musikalisch wie visuell ins Ambiente des Viktorianischen Schottlands entführt, pendelnd zwischen düsterer Romantik und dudelsack- wie fiedelreicher Lebensfreude.

Bewertung:
3/5

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