Rezension: Tomb Raider Anniversary

Die Tomb-Raider-Spielereihe um „Archäologin“ (siehe Anmerkung) Lara Croft existiert seit den 90ern. „Tomb Raider Anniversary“ ist ein 2007 erschienenes Remake des allerersten Teils.

Entsprechend simpel und klischeehaft gestaltet sich die Geschichte: Auf der Suche nach dem legendären Scion von Atlantis reißt Lara rund um die Welt, erkundet fallengespickte Grabanlagen, schlägt sich mit Schatzjägern-Rivalen herum und versucht, die Motive ihrer mysteriösen Auftraggeberin Natla zu ergründen. Je weiter das Spiel voranschreitet, desto stärker driftet der Plot ins Mythologische ab (dass Lara unterwegs auf Dinos trifft, ist dabei noch vergleichsweise normal). Zwar gibt es zaghafte Versuche, die Überheldin Lara zu vermenschlichen, und einige ihrer Widersacher sind charmant geschrieben, insgesamt ist die Geschichte jedoch nur Nebensache.

Viel wichtiger ist das Gameplay, bestehend aus Erkundung, Kämpfen und Rätseln. Durch die Ruinenanlagen in Peru, Griechenland und Ägypten bewegt sich Lara vor allem kletternd fort. Das Springen über Plattformen, Vorsprünge und Pfähle ist eingängig, nutzt sich aber im Laufe des 15-stündigen Spieldurchlaufs ein wenig ab. Die Kämpfe gegen die lokale, teils übernatürliche Fauna funktionieren per Lock-on-Zielsystem (und wildem Ausweichgespringe), wirken dadurch ein wenig aus der Zeit gefallen und machen trotzdem Spaß. Auch die Rätsel – bestehend aus Boxenschieben, getimten Kletterpassagen und Logikpuzzles – fordern im richtigen Maß.

Als Tutorial dient ein Bonus-Level in Laras höchsteigener Villa, welches ohne aufdringliche Texttafeln in die Gameplay-Grundlagen einführt. Im Anschluss fühlte ich mich dementsprechend gut für die Hauptkampagne gewappnet … und musste etwas irritiert feststellen, dass auch diese noch einmal alle Basics – viel ausführlicher – erklärt.

Trotz einiger aus der Zeit gefallener Aspekte macht „Anniversary“ auch heute noch Spaß und zeigt, dass Lara Croft mehr ist als die übersexualisierte Werbefigur, zu der sie in ihrer Anfangszeit häufig gemacht wurde.

Anmerkung: Die Schändung archäologischer Fundstätten, die Lara auf ihren Reisen regelmäßig betreibt, würde echte Archäolog*innen wohl in den Wahnsinn treiben.

(zuerst am 21. April 2022 auf Instagram veröffentlicht)

Bewertung:
3.5/5

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